Fast auf den Tag genau vor 33 Jahren wurden im Februar 1992 die Konvergenzkriterien (im Sprachgebrauch Maastricht-Kriterien) festgeschrieben. Sie waren die Grundvoraussetzungen für einen EU-Beitritt eines Landes. Die wichtigsten Kriterien wurden 1999 in den sogenannten Stabilitäts- und Wachstumspakt, der Basis für die Währungsunion war, überführt.
Drei wesentliche Kriterien sind fast tagtäglich Gegenstand von politischen und wirtschaftlichen Diskussionen. Zum einen wäre da die Preisniveaustabilität, die sich in den vergangenen Jahren auf ein Zielniveau von 2 % Inflation „einjustiert“ hat. Hier sind sich der Gouverneur der Banque de France, Francois Villeroy de Gallau, und sein deutscher Kollege, Joachim Nagel, absolut einig und haben eine starke finanzpolitische französisch-deutsche Achse als Vorbild für Europa geschmiedet.
Im Punkt der Finanzlage der öffentlichen Haushalte (öffentliches Defizit 3 % des BIP bzw. öffentlicher Schuldenstand max. 60 % des BIP) haben sich Frankreich und Deutschland jedoch seit dem Jahr 2000 deutlich voneinander entfernt. 2000 waren beide Länder in diesen Kriterien fast „egalité“. Frankreich vielleicht eher eine Nuance besser.
Seither hat sich die haushaltspolitische Lage der beiden Nachbarländer jedoch drastisch verändert. Während Deutschland bis heute eisern an den Maastricht-Kriterien festhält und sie erfüllt, hat sich Frankreich sukzessive deutlich von ihnen entfernt und aktuell eine Schuldenlast von 3,3 Billionen Euro erreicht, bei einem Defizit von 6 % sowie einer Schuldenquote von fast 115%.
Also Deutschland alles richtig gemacht und Frankreich alles falsch – wäre es so einfach. Deutschland hat zunächst mit der sogenannten Agenda 2010 deutlich und nachhaltig in die Sozialgesetzgebung eingegriffen und somit die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft wiederhergestellt. Die innenpolitischen Folgen waren die Abspaltung der Fraktion der SPD in die Partei Die Linke und somit der Regierungsverlust der SPD in 2005! Auch während der Finanzmarktkrise Ende der 2000er, der Covid-Krise und Energiekrise wurde an harter Haushaltsdisziplin festgehalten, was jedoch unter anderem zu Lasten unterlassener Investitionen in wichtige Infrastrukturen und Zukunftstechnologien „erkauft“ wurde. Marode Brücken, Autobahnen, unterbliebene Investitionen in Schienen-, Energie- und Kommunikationsnetze, Bundeswehr, Polizei, Schulen, Kindergärten und vieles mehr. Frankreich ist einen anderen Weg gegangen und hat sich teilweise den sozialen „Frieden“ mit Steuersenkungen, moderaten Anpassungen der Sozialgesetze „erkauft“. Es wurde bewusst eine andere Energiepolitik gewählt, die öffentliche Infrastruktur modern ausgebaut. Dies aber zu Lasten des Staatshaushalts, mit dem bekannten Ergebnis.
Unterschiedliche Wege mit unterschiedlichen Ergebnissen
Deutschland und Frankreich, die beiden wichtigsten Partnerländer der EU sind 25 Jahre lang unterschiedliche Wege gegangen, mit unterschiedlichen Ergebnissen. Was die beiden aber eint, ist, dass die Bürger klare Signale gesetzt haben. In Frankreich wurde die Regierung abgewählt und muß jetzt einen schmerzlichen Weg der Haushaltskonsolidierung gehen. In Deutschland hat sich die Bundesregierung selbst zerlegt und die zukünftige Regierung muß ausloten, inwieweit das stoische Festhalten an der Schuldenbremse bei den gewaltigen Investitionsprogrammen in Infrastruktur sowie Transformation der Wirtschaft noch gehalten werden kann.
Es stellt sich auch die Frage, ob es nicht 33 Jahre nach Maastricht eine Neujustierung der Kriterien, angepasst an die sich massiv veränderten geopolitische Rahmenbedingungen, geben könnte/sollte oder zumindest zeitlich befristete Handlungsspielräume. Und hierbei könnte die Achse Deutschland und Frankreich wieder eine Vorreiterrolle in Europa übernehmen (analog der Preisniveaustabilität).
Gemeinsame deutsch-französische Initiativen in der EU zur Stärkung der regionalen Volkswirtschaften und Industrien als Antwort auf protektionistische Handlungen aus China und den USA. Die Nutzung der CO2-induzierten Transformation der Wirtschaft durch klare EU-weite und verbindliche Vorgaben, wie etwa, dass öffentliche Investitionen in Infrastruktur ausschließlich mit CO2-neutralem Stahl durchgeführt werden dürfen! Umsetzungsbeispiele wären die europaweite Erneuerung von Schienennetzen, Brücken und anderen öffentlichen Infrastrukturprojekten. Das könnte auf alle staatlich geförderten Projekte aus dem Baubereich sowie den Erneuerbaren Energien ausgedehnt werden. Es ist ein Paradoxon, dass der Staat die Errichtung von Windparks fördert, aber die Türme und Monopiles aus billigem braunem Stahl hergestellt werden.
Hier könnte die „axe franco-allemand“ eine Vorreiterrolle übernehmen, was insbesondere vor dem Hintergrund der sich aktuell verschiebenden Machtblöcke ein deutliches Zeichen pro Europa und somit ein klares Signal in Richtung USA, China und Indien wäre. Europa wartet darauf, das Frankreich und Deutschland wieder als wirklich beste Freunde geschlossen auftreten und handeln.
Europa erwartet, dass Frankreich und Deutschland sich wieder wie wirklich beste Freunde verhalten und gemeinsam handeln
Autor: Frank Peter Eloy Mitglied des Vorstandes Vorstand SaarLB – Landesbank Saar
Artikel Acteurs du franco allemand – Sonderausgabe Jan. / Feb. 2025
Deutschland und Frankreich: „wirklich“ beste Freunde | Deutsch-französische Wirtschaftsakteure
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