Der Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit innerhalb des Europäischen Binnenmarktes bringt grenzüberschreitend tätigen Betrieben viele Erleichterungen. So können Unternehmen, die ihren Sitz in der Europäischen Union haben, ihre Mitarbeiter kurzfristig in andere Mitgliedstaaten entsenden, um dort Dienstleistungen zu erbringen. Um Missbrauch vorzubeugen und insbesondere um Ungleichbehandlungen zwischen entsandten Arbeitnehmern und inländischen Arbeitnehmern zu vermeiden, gibt es eine Reihe von Regeln, die zu beachten sind. Werden die Regeln nicht befolgt, drohen empfindliche Geldstrafen. In diesem Zusammenhang hat die französische Regierung das Gesetz n° 2018-771 vom 5. September 2018 erlassen und ein paar dieser Regeln angepasst, die zu Erleichterungen bei der Entsendung von Arbeitnehmern nach Frankreich führen dürften.
Nach Art. L.1262-1 des frz. Arbeitsgesetzbuchs (Code du travail) gibt es drei Arten der Entsendung nach Frankreich:
- Im Auftrag des Arbeitgebers und unter seiner Leitung im Rahmen eines zwischen dem Arbeitgeber und einem in Frankreich ansässigen oder tätigen Empfänger einer Dienstleistung geschlossenen Vertrages;
- Zwischen Niederlassungen derselben Gesellschaft oder zwischen Unternehmen derselben Gruppe;
- Im Auftrag des Arbeitgebers, jedoch ohne, dass es ein Dienstleistungsvertrag zwischen dem Arbeitgeber und einem Leistungs-empfänger in Frankreich besteht.
Der Art. L.1262-2-1 gebietet dem ausländischen Arbeitgeber, wenn er Arbeitnehmer nach Frankreich entsendet, diese vor Antritt der Entsendung bei der zuständigen Arbeitsinspektion anzumelden. Diese Meldung erfolgt seit dem 1. Oktober 2016 elektronisch über das online-Portal « SIPSI » (Système d’information sur les prestations de service internationales). Zudem muss der ausländische Arbeitgeber einen nationalen Vertreter benennen, der als Ansprechpartner für die französischen Behörden (insb. die Arbeitsinspektion DIRECCTE, aber auch die Polizei, Zoll- und andere Ordnungsbehörden) fungiert. Der Vertreter gilt nicht nur als Ansprechpartner für die französischen Behörden, er muss auch im Falle einer Kontrolle eine Reihe von Unterlagen bereithalten, wie Arbeitsverträge, Sozial-versicherungsnachweise (das A1-Formular), Lohnabrechnungen, etc. Da französische Behörden nur auf Französisch kommunizieren, müssen der Vertreter die französische Sprache beherrschen und alle Unterlagen auf Französisch ausgestellt oder ins Französische übersetzt sein. Wurden die entsandten Arbeitnehmer nicht angemeldet, wurde kein Vertreter benannt oder sind die Unterlagen im Falle einer Kontrolle nicht verfügbar, drohen empfindliche Geldbußen.
Zudem gibt Besonderheiten für bestimmte Branchen, wie das Transportgewerbe oder das Baugewerbe. Entsandte Arbeitnehmer von Transportunternehmen müssen eine Entsendebestätigung, die 6 Monate gültig ist, mitführen und bei Bautätigkeiten müssen ausländische Arbeitgeber für ihre Arbeiter eine spezielle Berufs-Identifikationskarte (Carte BTP) beantragen.
Hintergrund der zum Teil strengen Regeln ist die Tatsache, dass bei einer Entsendung nach Frankreich sämtliche französischen Arbeitnehmerschutzvorschrifen des französischen Arbeitsrechts auch für die nach Frankreich entsandten Arbeitnehmer gelten. Diese sind z.B. der frz. Mindestlohn (aktuell 9,88 €/h Brutto), Zuschläge für Überstunden, Höchstarbeitszeitregelungen, anwendbare Tarifverträge, Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften, etc. Mithin sollen die entsandten Arbeitnehmer nicht schlechter gestellt werden, als lokale Arbeitskräfte.
Das Gesetz n° 2018-771 vom 5. September 2018 « Loi pour la liberté de choisir son avenir professionnel » enthält verschiedene Maßnahmen, mit denen Entsendungen nach Frankreich erleichtert werden sollen:
Erleichterung der Entsendeformalitäten
Der neue Art. L.1262-6 besagt, dass Arbeitgeber, die Arbeitnehmer nach Frankreich entsenden, von der vorigen Meldung und der Ernennung eines Vertreters entbunden sind, wenn der Einsatz von kurzer Dauer oder im Rahmen von punktuell durchgeführten Dienstleistungen ist.
Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass Dienstleistungen in einem durch ministeriellen Erlass „Arrêté Ministeriel“ Tätigkeitsfeld ausgeführt werden. Dieser Erlass legt ebenfalls die Maximaldauer der Entsendung für jede dort beschriebene Tätigkeit fest.
Weiterhin soll auch eine Verordnung „Décret en Conseil d’Etat“ Anpassungen vorsehen, die nach Frankreich entsendenden Arbeitgebern zu Gute kommen können.
Die Aufsichtsbehörde DIRECCTE wird befugt, Betrieben, die häufig Mitarbeiter nach Frankreich entsenden, für einen Zeitraum von bis zu einem Jahr Erleichterungen bezüglich der Entsendebestimmungen zu gewähren, sofern der Nachweis der Einhaltung aller von zu beachtenden Regelungen (z.B. Mindestlohn, Arbeitszeit-regelungen, etc.) erbracht wird.
Diese Erleichterungen sind jedoch von dem Erlass der o.g. Rechtsakte abhängig. Etwaige Anpassungen und Vereinfachungen sind daher erst möglich, wenn die genannten Rechtsakte erlassen wurden. Erst dann ist eine präzise Aussage möglich, wer wann von welchen Vereinfachungen profitieren kann.
Zusätzlich erwähnte der Senatsbericht „Rapport au Sénat“ die Möglichkeit eines internationalen Abkommens durch welches die Entsenderegeln für Dienstleister, die ihre Tätigkeit in einem durch dieses Abkommen festgelegten Grenzgebiet ausüben, hätten angepasst und vereinfacht werden können. Dieser Vorschlag wurde jedoch im endgültigen Gesetzestext und im aktuellen Art. L.1262-6 nicht übernommen. Ein solches Abkommen hätte im Übrigen ebenfalls erst verhandelt und abgeschlossen werden müssen.
Änderung der Entsendeformalitäten bei Entsendungen im eigenen Auftrag
Im Zuge der Novellierung wurde der Inhalt des Art. L.1262-2-1 geändert. So verweist der Artikel nicht mehr vollständig auf den o.g. Art. L.1262-1, sondern lediglich auf Art. L.1262-1, 1° und 2°. Der Artikel verweist also nicht mehr auf den Entsendefall im eigenen Auftrag und ohne dass es einen Leistungsempfänger in Frankeich gibt. Die Entsendeformalitäten und die Pflicht, einen Vertreter in Frankreich zu benennen, sind für diesen Entsendefall nicht mehr erwähnt.
Der Senatsbericht hat in diesem Zusammenhang erwähnt: „Mit diesem Artikel entfalle die Verpflichtung zur vorherigen Erklärung und Benennung eines Korrespondenten für die dritte Kategorie der Entsendung. In der Praxis entspreche diese Kategorie ausländischen Unternehmen, die einen oder mehrere ihrer Mitarbeiter nach Frankreich entsenden, um vorübergehend eine Mission auf eigene Rechnung durchzuführen (z.B. um neue Märkte zu erschließen, Produktionsprozesse zu überwachen oder an Arbeitstreffen teilzunehmen), da kein spezifischer Dienstleistungsvertrag mit einem in Frankreich ansässigen Unternehmen abgeschlossen werde.“
Einzelne Autoren haben hieraus geschlossen, dass Leistungen z.B. im Zusammenhang mit Messen in Frankreich künftig generell Entsendeformalitäten nicht mehr unterfallen, da diese ja im eigenen Auftrag geschehen. Hier muss jedoch differenziert werden zwischen dem einfachen Messebesuch und dem Betreiben eines Messestands. Zudem nutzen Aussteller oft Fremdfirmen, die den Messestand aufbauen. Es ist daher stets jeder einzelne Entsendefall und die damit verbundene Erforderlichkeit von Formalitäten zu überprüfen.
Es muss daher ausdrücklich auf die Tatsache hingewiesen werde, dass das französische SiPSI-Portal weiterhin die Erbringung von Formalitäten für ausländische Arbeitnehmer vorsieht, die ihre Arbeitnehmer in eigenem Auftrag entsenden.
Beachtung der französischen Arbeitnehmerschutzvorschriften
Schließlich sei zu erwähnen, dass eine eventuelle Lockerung der Formalitäten bei der Anmeldung einer Entsendung, den ausländischen Arbeitgeber nicht von der Einhaltung der französischen Arbeitnehmerschutzvorschriften entbindet oder gar eine Kontrolle durch die Arbeitsinspektion ausschließt. Auch wenn eine Anmeldung erleichtert wird oder gar wegfällt, müssen auch weiterhin die frz. Vorschriften z.B. zum Mindestlohn, Überstundenvergütung, Höchstarbeitszeiten, Arbeitsschutz, etc. eingehalten werden.
Härtere Strafen
Darüber hinaus wurden die Bußgelder für Verfehlungen im Zusammenhang mit den Formalitäten der Entsendung angehoben. Art. L.1264-3 in seiner aktuellen Fassung legt die Bußgelder nunmehr auf 4.000 € pro Person und Verfehlung und im Widerholungsfalle innerhalb von 2 Jahren auf 8.000 € fest (gegenüber 2.000 € und 4.000 € im Widerholungsfalle innerhalb eines Jahres in der bis dahin geltenden Fassung). Werden die Bußgelder nicht bezahlt, kann die Behörde überdies bei einer neuen Entsendung die Aufnahme der Tätigkeit in Frankreich untersagen. Ignoriert der Arbeitgeber dies, steigt das Bußgeld nach Art L.1263-6 auf 10.000 €. Diese Regelungen sind nicht von weiteren Rechtsakten abhängig und ab sofort wirksam.
Autor: AHK Deutsch-Französische Industrie- und Handelskammer