An deutschen und französischen Schulen fehlt es an Lehrern und Lehrerinnen. Unterrichtsausfall, überforderte Pädagogen und volle Klassenzimmer sind die Folgen. Der Beruf scheint zunehmend unattraktiv. Was sind die Gründe dafür?
In Deutschland fehlen 40.000 Lehrkräfte
Die Zahlen sind alarmierend: Der deutsche Lehrerverband schätzt, dass momentan fast 40.000 Lehrerinnen und Lehrer fehlen. Und die Kultusministerkonferenz prognostiziert, dass bis 2035 mindestens 24.000 Lehrkräfte fehlen werden.
Der sich verschärfende Lehrermangel ist das Ergebnis mehrerer Entwicklungen. Einerseits gibt es durch mehr Geburten und Zuwanderung immer mehr Schülerinnen und Schüler in Deutschland. Aber auch politische Entscheidungen wie der Ganztagsausbau sowie Vorgaben zu Inklusion oder Sprachförderung verstärken den Personalbedarf an den Schulen weiter. Gleichzeitig entscheiden sich immer mehr Lehrerinnen und Lehrer für Teilzeit.
Unattraktivität des Lehrerberufs verschärft die Situation
Die klassischen Vorteile des Lehrerdaseins in Deutschland – sicherer Job, vergleichsweise gute Bezahlung, familienkompatible Arbeitszeiten – scheinen für viele junge Menschen nicht mehr auszureichen, um sich für den Lehrerberuf zu entscheiden.
So geht die Zahl der Lehramtsabsolventinnen und -absolventen deutlich zurück. Sie sank von 2018 bis 2020 laut Kultusministerkonferenz um 13 %. Hinzu kommt, dass diejenigen, die ein Lehramtsstudium beginnen, viel zu selten einen Abschluss machen. Die Zahl derer, die ein Studium abbrechen oder das Fach wechseln, ist höher als in anderen Studiengängen.
Quer- und Seiteneinsteiger könnten den Nachwuchsmangel verringern. Allerdings werden sie immer als eine Notlösung betrachtet und nur akzeptiert, wenn keine ausgebildeten Pädagoginnen oder Pädagogen zur Verfügung stehen. Und sie werden bislang nur wenig weitergebildet.
In 62 % der französischen Schulen fehlt mindestens eine Lehrkraft
Nach Angaben des SNPDEN (Syndicat national des personnels de direction de l’Éducation nationale) fehlt in 62 % der französischen Schulen mindestens eine Lehrkraft. Diese Zahl ist das Ergebnis einer Umfrage zum Schuljahresbeginn, die in 2.600 Sekundarschulen durchgeführt wurde. In mehr als einer von drei Schulen (35 %) fehlen mindestens zwei Lehrkräfte.
Somit ist auch in Frankreich der Lehrermangel in diesem Jahr sehr groß. Doch es gibt große Unterschiede bei den Unterrichtsfächern. Zu den am meisten vernachlässigten Fächern gehören die Naturwissenschaften wie Physik, Chemie, Technik und Mathematik, aber auch die klassischen Sprachen inklusive Deutsch leiden unter dem Lehrermangel. Um dem entgegenzuwirken, plant der französische Bildungsminister im Frühjahr 2023 die Einführung eines außergewöhnlichen Auswahlverfahrens, mit dem die bereits im Dienst befindlichen Vertragslehrer eine feste Anstellung erhalten sollen. Vertragslehrer sind nicht-beamtete Lehrer, die im Falle einer Abwesenheit oder eines Personalmangels den Unterricht übernehmen.
Schlechte Bezahlung und Karrierewechsel führen zum Lehrerschwund in Frankreich
Laut OECD liegen die Gehälter von französischen Lehrern und Lehrerinnen am Anfang ihrer Laufbahn mit 29.400 Euro brutto pro Jahr um 7 % unter dem Durchschnitt der Länder der Eurozone. Im Vergleich dazu verdienen junge Lehrer in Deutschland mit 62 300 Euro brutto jährlich mehr als das Doppelte.
Wie in Deutschland ist die Lehrerschaft in Frankreich überaltert, und es fällt schwer, junge Menschen als Ersatz einzustellen. In Frankreich haben laut Bildungsministerium im Zeitraum 2020-2021 0,32 % der Lehrer gekündigt, gegenüber 0,05 % im Zeitraum 2008-2009. Und 35 % der jungen Lehrer wechseln innerhalb der ersten fünf Jahre den Beruf.
Insgesamt haben die Lehrkräfte den Eindruck, dass von ihnen immer mehr verlangt wird, die Bezahlung aber nicht dem Niveau entspricht. Sie haben auch das Gefühl, für ihre Arbeit nicht anerkannt zu werden. Laut einer im Jahr 2018 veröffentlichten Studie (https://www.oecd.org/education/talis/TALIS-Guide-Enseignants-TALIS-2018-Vol-II_FR.pdf) fühlen sich nur 30 % der Lehrkräfte in der Eurozone von der Gesellschaft wertgeschätzt. In Frankreich sinkt diese Zahl auf 5 %.
Autor: Jitka Mencl-Goudier
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