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Deutschlands Erfolgsmodell der vergangenen Jahrzehnte basiert auf der Verflechtung mit der Weltwirtschaft.

Welche Zukunft hat das Geschäftsmodell Deutschland?

Deutschlands Erfolgsmodell der vergangenen Jahrzehnte basiert auf der Verflechtung mit der Weltwirtschaft. Doch die Pandemie und der Ukraine-Krieg zeigen die Risiken durch fragile Lieferketten und die Abhängigkeit von autokratischen Regimen auf. Weitere Stressfaktoren für die deutsche Wirtschaft sind der demografische Wandel, die Integration von Geflüchteten und der ökologische Umbau. Muss sich die deutsche Volkswirtschaft grundlegend neu orientieren und das Geschäftsmodell Deutschland neu erfunden werden? Der aktuelle ifo-Schnelldienst vom 14. September analysiert, was sich verändern muss, um Deutschland zukunftsfest zu machen.

Vermeidung von wirtschaftlichen Abhängigkeiten

Das wohl wichtigste Charakteristikum des Geschäftsmodells Deutschland ist die starke außenwirtschaftliche Verflechtung der Wirtschaft. Der Außenhandel spielt für Deutschland im Vergleich zu anderen G-7-Staaten eine besonders große Rolle. Hinzu kommt, dass deutsche Unternehmen in hohem Umfang Vorleistungen aus dem Ausland beziehen.

In den deutschen Güterexporten steckt ein Anteil von 21% ausländischer Wertschöpfung. Damit liegt die Schlussfolgerung nahe, dass Deutschland bei einer Beschränkung des internationalen Handels besonders viel zu verlieren hätte und künftig stärker darauf achten sollte, kritische wirtschaftliche Abhängigkeiten zu vermeiden.

Stärkere Diversifizierung der Handelsbeziehungen notwendig

Laut der Ifo-Experten wäre es aber ein Fehler, auf die aktuellen Friktionen im internationalen Handel durch eine Strategie der Entkopplung oder des generellen »Reshoring«, der Rückverlagerung von Produktionsstätten zurück in die Heimat, oder des »Nearshoring«, der Verlagerung betrieblicher Aktivitäten ins nahegelegene Ausland, zu reagieren. Ein bewusstes und umfassendes Management kritischer Abhängigkeiten sei erforderlich, in das sich der Staat stärker einbringt als bisher, vor allem wenn es um systemische Risiken wie Pandemien, Finanzkrisen und Klimawandel geht, die von einzelnen Unternehmen nicht handhabbar sind.

So sollte laut Ifo-Schnelldienst die Zukunft des deutschen Wirtschaftsmodells nicht in einem Rückbau der internationalen Wirtschaftsbeziehungen oder einer Beschränkung des Handels auf Demokratien westlichen Typs bestehen. Gefragt sei eher ein besseres und systematischeres Management von außenwirtschaftlichen Abhängigkeiten und den damit verbundenen Risiken. Das sollte mit einer stärkeren Diversifizierung von Handelsbeziehungen einhergehen.

Stärkung der europäischen Energiepolitik

Ein sehr hoher Veränderungsbedarf besteht auch im Bereich der Energiepolitik. Insgesamt ist damit zu rechnen, dass die Energiekosten in Deutschland zumindest für eine längere Übergangszeit stärker steigen als an vielen anderen Industriestandorten. Hinzu kommt, dass die Umstellung der Gasversorgung Veränderungen in der Infrastruktur erfordert, die mit hohen Kosten verbunden sind. Diese Umstellung stellt für Deutschland als Standort für energieintensive Industrien eine große Belastung dar.

Doch die Bewältigung dieser Herausforderungen erfordert nicht nur Anstrengungen auf nationaler Ebene. Bei der Handelspolitik liegen die Zuständigkeiten bereits auf europäischer Ebene. In der Energiepolitik ist mehr Versorgungssicherheit ohne mehr europäische Kooperation kaum erreichbar. Ein wichtiger Teil der Zukunft des Geschäftsmodells Deutschland besteht deshalb darin, insbesondere in der Energiepolitik, das gemeinsame Handeln auf europäischer Ebene zu stärken.

Link: https://www.ifo.de/DocDL/sd-2022-09-zukunft-geschaeftsmodell-deutschland.pdf

 

Autor: Jitka Mencl-Goudier
© shutterstock.com


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