Seit mehr als sechs Jahrzehnten bildet die deutsch-französische Partnerschaft das Fundament der europäischen Einigung. In Zeiten politischer Instabilität und globaler Unsicherheiten rufen Joachim Nagel, Präsident der Bundesbank, und François Villeroy de Galhau, Gouverneur der Banque de France, zu einem erneuerten und verstärkten Dialog zwischen Frankreich und Deutschland auf. Dieser ist angesichts der zunehmenden geopolitischen Spannungen und der anhaltenden Krisen, die Europa bedrohen, dringlicher denn je.
Deutschland und Frankreich haben in der Vergangenheit mehrfach unter Beweis gestellt, wie gut ihre Zusammenarbeit in Krisenzeiten funktioniert. Die Finanzkrise von 2009, die zur Eurokrise führte, stellte die europäische Einheit auf eine harte Probe. Trotz dieser Herausforderungen konnte Europa dank Solidarität und kooperativer Maßnahmen robuster aus der Krise hervorgehen. Die Schaffung des Europäischen Stabilitätsmechanismus und der Bankenunion sind nur zwei Beispiele für erfolgreiche Maßnahmen, die durch deutsch-französische Kompromisse ermöglicht wurden. Ebenso waren Deutschland und Frankreich maßgeblich an der Schaffung des „Next Generation EU“-Fonds beteiligt, um die wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie abzufedern. Auch in der aktuellen Inflationskrise arbeiten die beiden Länder Hand in Hand, um die wirtschaftliche Stabilität zu sichern. Die Inflation, die Ende 2022 noch über 10 % lag, konnte dank entschlossener geldpolitischer Maßnahmen auf 2 % gesenkt werden.
In wirtschaftlicher Hinsicht stehen Frankreich, Deutschland und Europa vor der Wahl: Entweder setzen sie den Weg der letzten Jahrzehnten fort, geprägt von schwachem Wachstum und geringer Innovation, oder sie schlagen einen mutigen, disruptiven Kurs ein, um Europas wirtschaftliche Zukunft zu sichern. Joachim Nagel und François Villeroy de Galhau identifizieren drei wesentliche Eckpfeiler, die für eine zukunftsfähige europäische Wirtschaftspolitik von zentraler Bedeutung sind:
- Ausbau des Binnenmarkts: Der europäische Binnenmarkt ist zwar in Bezug auf das BIP so groß wie der der USA, bleibt jedoch fragmentiert, insbesondere in den Bereichen Dienstleistungen und Telekommunikation. Laut dem IWF könnte eine Reduktion interner Barrieren um nur 10 % das europäische Wachstum um bis zu 7 % steigern.
- Stärkung der finanziellen Kapazitäten: Eine vollendete Bankenunion und eine fokussierte Kapitalmarktunion sind essenziell. Europa hat erhebliche Investitionsbedarfe und zugleich private Überschussersparnisse von über 300 Milliarden Euro pro Jahr. Eine effizientere Vermittlung, besonders in Eigenkapital und Risikokapital, ist notwendig.
„Michael Heß, Leiter des Pôle Franco-Allemand und Bereichsleiter bei der SaarLB, der deutsch-französischen Bank, insbesondere zuständig für grenzüberschreitende Projekte, meint hierzu: „Die Umsetzung der Bankenunion, insbesondere die vollständige Integration der Finanzmärkte, würde auch die Anziehungskraft der Eurozone für ausländische Investoren aus meiner Sicht deutlich erhöhen. Die grenzüberschreitenden Bankaktivitäten könnten darüber hinaus mit einer stärkeren Harmonisierung der regulatorischen Rahmenbedingungen deutlich verstärkt werden – mit positiven Effekten auf die wirtschaftlichen Aktivitäten im gesamten europäischen Binnenmarkt.“ - Steigerung der Effizienz: Weniger Bürokratie und mehr Innovation sind entscheidend. Die digitale und energetische Transformation erfordert technologische Durchbrüche. Eine „Gemeinschaft für KI und Technologie“ könnte hierbei den nötigen Rahmen bieten.
Angesichts globaler Herausforderungen und interner Krisen wird die Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Deutschland wichtiger denn je. Mit einem klaren Fokus auf den Ausbau des Binnenmarkts, die Stärkung finanzieller Kapazitäten und die Förderung von Innovationen können beide Länder maßgeblich zur Sicherung und Gestaltung der europäischen Zukunft beitragen.
Autor: Haus & Gross
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