Die Digitalisierung innerhalb der Gesellschaft schreitet schnell voran, wodurch immer mehr Möglichkeiten geschaffen werden, die auch im juristischen Bereich eingesetzt werden können. [1] Die Möglichkeit und Schwierigkeiten, die die Blockchain-Technologie und „smart contracts“ für die Rechtswissenschaft mit sich bringen, werden im Folgenden erläutert.
Egal welche neuen Technologien die Digitalisierung zu bieten hat, die meisten basieren auf der Grundlage der Blockchain Technologie, da ihr Vorteil vornehmlich in der Kostenreduzierung und der Manipulationssicherheit der gespeicherten Information liegen. [2] Darunter versteht man, vereinfacht gesagt, eine äußerst sichere virtuelle Datenbankstruktur, die Transaktionen und legale Verteilungen in Blöcken chronologisch aufzeichnet, vorzugsweise fälschungssicher und dezentral.
Dabei ist zu beachten, dass es nicht die eine Blockchain Technologie gibt, sondern verschiedene Blockchain Technologie-Modelle existieren, die sich teilweise erheblich in ihren Anwendungsdomänen und ihrer Funktionsweise unterscheiden.
Die Blockchain-Technologie hat in den letzten Jahren weltweit für Aufsehen gesorgt und sich als leistungsfähige Technologie etabliert, die für eine Vielzahl von Anwendungen genutzt werden kann. [3]
Eine Anwendung ist das Supply Chain Management in der Fleischproduktion. Die Fleischproduktion ist ein komplexer Prozess, der verschiedene Akteure umfasst, wie z.B. Züchter, Futtermittelhersteller, Schlachthöfe, Verarbeitungsunternehmen und Händler. Die Lieferkette ist oft undurchsichtig und schwer zu verfolgen. Dies führt zu Schwierigkeiten bei der Rückverfolgbarkeit von Produkten und erhöht das Risiko von Lebensmittelbetrug, was zu Vertrauensverlust und finanziellen Verlusten für Unternehmen führen kann. Durch die Verwendung von Blockchain Technologie in der Fleischproduktion können alle Akteure entlang der Lieferkette ihre Informationen (z.B. Herkunft der Tiere, Gesundheit, Futter, Verarbeitung usw.) in die Blockchain eintragen. Dies ermöglicht es, die Produkte von der Produktion bis zum Verkauf zu verfolgen. Die Blockchain-Technologie verhindert, dass die gespeicherten Informationen nachträglich gerändert werden, so dass Täuschungen nicht mehr so einfach möglich sind.
Ein Beispiel ist das Unternehmen Carrefour, das die Blockchain-Technologie einsetzt, um die Herkunft und Qualität von Hühnerfleisch, Eiern und Tomaten vom Bauernhof bis in die Geschäfte zu verfolgen. Carrefour nutzt die Blockchain, um Informationen über die Haltung der Hühner, die Verwendung von Antibiotika und andere wichtige Informationen zu speichern. Kunden können diese Informationen durch Scannen eines QR-Codes auf der Verpackung des Produkts einsehen. [4] Carrefour meldete ein Umsatzanstieg der Produkte, die mit Blockchain eine einfache Nachverfolgung ermöglichen, das zeigt, dass Endverbraucher vermehrt, darauf achten transparent hergestellte Produkte zu kaufen. [5]
Eine weitere Möglichkeit die Blockchain Technologie zu nutzen sind „smart contracts“. Ein „smart contracts“ ist ein Computerprogramm, das einen Vertrag bildet und dafür die Blockchain-Technologie nutzt. [6] Die „smart contracts“ sind schwer zu fassen, deshalb steht das IT-Recht mehr und mehr vor der Aufgabe für die neue technologischen Entwicklungen hinreichende Rechtssicherheit zu schaffen, was sich durchaus als Herausforderung darstellen kann. [7] Zwei Schlüsseleigenschaften sind besonders wichtig: Erstens legen „smart contracts“ die Regeln und Sanktionen für die Vereinbarung fest und zweitens setzen sie diese Regeln und Sanktionen automatisch durch. Das passiert, indem das Programm die vertraglichen Pflichten und die Folgen von Pflichtverletzungen als „wenn-dann-Regeln“ programmiert [8]: ist eine im Vertrag festgelegte Bedingung erfüllt, dann wird die vorher bestimmte Folge automatisch ausgeführt. Ein sehr interessanter Anwendungsbereich für die „smart contracts“ bilden die Fluggastentschädigungen nach der europäischen Fluggastrechteverordnung. Verspätet sich ein Flug oder wird der Flug annulliert, dann steht dem Fluggast nach der europäischen Fluggastrechteverordnung ein Anspruch auf Entschädigung i.H.v. 250€ bis 600€ zu. [9] Fluggesellschaften versuchen teilweise durch bürokratische Hürden, Unklarheiten oder (nicht bestehenden) Ausnahmetatbestände den Anspruch zu vereiteln. [10] „Smart contracts“ könnten hier Abhilfe schaffen, indem sie so programmiert werden, dass sie die aktuelle Rechtslage und Rechtsprechung mit den jeweiligen Fluginformationen zusammenführen. Bei entstandenem Entschädigungsanspruch berechnet der “smart contract“ die Höhe des Anspruchs und zahlt auch aus, ohne dass ein menschlicher Zwischenschritt erforderlich ist. [11]
Einige Interessengruppen betrachten „smart contracts“ als grundlegende Alternative zu dem in eine Privatrechtsordnung eingebetteten Vertrag, weil der Automatismus der Durchführung eine Durchsetzung im Rechtswesen entbehrlich machen soll. Diese Ansicht ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit eine Illusion. Trotz des Willens sich „rechtsfrei“ zu verständigen, können sich „Vertragsparteien“ eines „smart contracts“ sehr wohl auf vielfältige Weise zivilrechtlich haftbar machen, was von einem staatlichen Gericht erkannt und mit Mitteln der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden kann. Ansprüche aus Vertrag, Vertragsanbahnungen, unerlaubter Bereicherung und unerlaubter Handlung können in Betracht kommen. Es stellt sich also die Frage nach der Transposition solcher „smart contracts“ in zivilrechtliche Kategorien, also die Frage nach der Anwendbarkeit des Rechts, dem Gerichtsstand, dem Vertragstyp, der Vertragsinhalte und worin eine Pflichtverletzung liegen kann und was deren Folgen wären.
Wenn die Nutzung der „smart contracts“, weiterhin zunimmt, ist mit der Entwicklung eines neuen Rechtsgebiets zu rechnen.
Autorin: Lisa Strobel, Rechtsabteilung SaarLB
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Quelle:
[1] From fine wine to lotteries: Blockchain tech takes off – BBC News
[2] Bräutigam/Kraul, Internet of Things/Blocher, 2021, (528).
[3] LTO-Karriere-Podcast: Recht und digitale Gesellschaft
[4 + 5] Supermarkt-Kette Carrefour arbeitet mit Blockchain (deutsche-wirtschafts-nachrichten.de)
[6 + 7] Kipker/Birreck/Niewöhner/Schnorr, MM 2020, 509 (509).
[8] Fries, AnwBl 2018, 86
[9] Art. 7 VO EG Nr. 261/2004.
[10 + 11] Tavakoli, ZRP 2020, 46 (46).
[12] Ernst, MüKo, Einl. SchurlR Rn. 69.